Mehr Tempo bei der Endlagersuche – aber wie kann das gelingen? Und ist Transmutation ein echtes Heilsversprechen für die Endlagersuche oder steckt dahinter doch nur heiße Luft? Darüber diskutierte das Gremium digital auf seiner April-Sitzung. Auch ein Thema: Wie wird Forschung zur Endlagerung in Deutschland und Europa gefördert? Das Bundesumweltministerium war Gast beim NBG und hatte Antworten.
Die Endlagersuche wird Jahrzehnte länger dauern als ursprünglich geplant. Die Nachricht über diese Verzögerung schlug im letzten Jahr große Wellen – Verwunderung in der Öffentlichkeit, Erklärungsversuche der Verantwortlichen. Das Vertrauen in das Verfahren litt, der Glaube, eine zügige Lösung für das Endlagerproblem zu haben, rückte in weite Ferne. Ende März veröffentlichten die verantwortlichen Akteure wie die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) Vorschläge, wie man das Verfahren beschleunigen könnte.
Beschleunigen – aber wie?
Auf der April-Sitzung gab es von Christian Kühn eine Einordnung dazu. Der BASE-Präsident begrüßte die Diskussionen rund um Beschleunigungspotentiale bei der Endlagersuche als wichtigen Impuls. Ein Forum für diesen Austausch könne das NBG bieten. Verbindliche Zeitpläne, eine klar skizzierte Roadmap seien wichtig, um das Vertrauen in die Öffentlichkeit zu stärken. Mehr Tempo ohne Abstriche bei der Sicherheit – daran sollten alle Beteiligten gemeinsam arbeiten.
Wie könnte das ganz konkret aussehen? Braucht es eine Änderung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) dafür? Christian Kühn plädierte dafür, nicht während des "Spiels" die Regeln zu ändern und bis zum Ende der Phase I die jetzigen gesetzlichen Möglichkeiten für eine Beschleunigung auszuloten. Im Anschluss könnte eine Zusammenlegung der Phasen II und III sinnvoll sein, um ca. 2050 eine Standortentscheidung zu haben. Zuvor hatte es Szenarien gegeben, die im schlimmsten Fall mit einer Entscheidung 2074 rechneten.
Was passiert, wenn man Phasen zusammenlegt?
Doch welche Folgen hätte so eine Zusammenlegung? Darüber wurde auf der Sitzung diskutiert. Zum einen würden mehrere "Qualitätskontrollen" wegfallen, u. a. die Feststellung am Ende von Phase II, ob das bisherige Verfahren rechtmäßig war. Auch die Nachprüfaufträge durch die Regionalkonferenzen wären obsolet.
Die Folge: Würde man bei einer einmaligen Überprüfung der Rechtmäßigkeit ganz am Ende z. B. einen Verfahrensfehler feststellen, müsste im schlimmsten Fall der ganze Prozess neu aufgerollt werden. Das hieße: weitere Verzögerungen statt Beschleunigung. Durch die fehlenden Nachprüfaufträge wäre zudem die Partizipation im Verfahren eingeschränkt.
Das Verfahren gleicht einem Mosaik – nimmt man Steine heraus, ersetzt einige, ändert sich das Gesamtbild. Es entstehen womöglich Lücken. Muss man vielleicht ein ganz neues Bild kreieren? Viele Teilnehmende betonten die grundsätzliche Qualität der jetzigen Endlagersuche – vor allem ihren Anspruch, lernend und selbsthinterfragend zu sein. Anpassungen seien hier kein Zeichen des Scheiterns, sondern eine Chance auf Verbesserung.
Transmutation – die Lösung für das Endlagerproblem?
Das bedeutet auch technische Innovation stets im Auge zu behalten – konstruktiv und kritisch. Das wurde deutlich, als es um das Thema Transmutation ging. Bei dieser Technik plant man Atomkerne von alten Brennstäben mit Neutronen zu beschießen. Dabei sollen die Kerne zerfallen und weniger hoch radioaktive Abfälle übrigbleiben. Weniger Strahlung, weniger Atommüll für die Endlagerung und auch noch günstiger als das jetzige Standortsuchverfahren - so zumindest lanciert es ein Schweizer Startup-Unternehmen, heimst mit diesem Versprechen Millionen an Risikostartkapital ein und nährt damit Träume rund um den Globus.
Aufwind hat die Idee hierzulande vor allem dadurch bekommen, dass die Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND) eine sehr optimistische Einschätzung für den Bau einer solchen Anlage an ehemaligen AKW-Standorten in Deutschland gegeben hat.
Nicht alles Gold, was glänzt
Armin Grunwald, selbst Physiker und Ko-Vorsitzender des NBG, stellte zunächst klar: Die Idee ist weder völlig neu, noch bisher außerhalb eines Labormaßstabs erprobt. Die Kostenkalkulation würde zudem die notwendigen Investitionen an den ehemaligen AKW-Standorten nicht mit einbeziehen. Das Bild, dass Transmutation das Endlagerproblem schnell und günstig lösen könnte, sei unrealistisch.
Aufgrund der Komplexität des Themas wollen die NBG-Mitglieder das Für und Wider nochmal en détail unter die Lupe nehmen und im Gremium erneut diskutieren. Technische Weiterentwicklungen – da sind sich alle einig – sind wichtig im Verfahren.
Forschung bei der Endlagersuche
Dabei spielt Forschung eine Schlüsselrolle. Wie diese bei der Endlagersuche auf nationaler und europäischer Ebene aussieht und auch gefördert wird, skizzierte Silke Neveling vom Bundesumweltministerium (BMUV).
Zunächst gebe es die Ressortforschung, die aufgabengebunden sei und primär der thematischen Unterstützung des Ministeriums diene. Eine andere wichtige Säule sei die Forschungsförderung auf den Gebieten der Endlagerung. Hier läge der Fokus auf anwendungsorientierter Grundlagenforschung z. B. rund um Sicherheits- und Endlagerkonzepte. Die internationale Vernetzung in Form von Kooperationen z. B. in europäischen Untertagelaboren wie in Mont Terri seien essentiell, um am Puls der technischen Innovation zu bleiben und den wissenschaftlichen Austausch auf internationaler Ebene zu pflegen.
Nachwuchs fördern
Bei all dem sei es wichtig, auch den Nachwuchs in der Forschung nicht zu vernachlässigen. Aber ist es nur mit der Förderung von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten getan? NBG-Mitglied und Geologie-Professorin Magdalena Scheck-Wenderoth wies darauf hin, dass der wissenschaftliche Nachwuchs vor allem in den Naturwissenschaften kontinuierlich abnehme.
Das könnte in Zukunft auch in einem Fachkräftemangel auf dem Gebiet der Endlagerforschung münden, so Miranda Schreurs, Ko-Vorsitzende des NBG. Die Professorin für Umweltpolitik machte sich in der Diskussion auch für transdisziplinäre Forschungsansätze stark, wo Sozial- und Naturwissenschaften die verschiedenen Aspekte der Endlagerung beleuchten. Das jetzt abgelaufene Forschungsprojekt TRANSENS sei dafür ein gutes Beispiel gewesen. Es bräuchte mehr solcher Leuchtturmprojekte, so Miranda Schreurs.
Neue Regierung, neue Chance
Mit welchen Bundesetats in Zukunft die Forschungsförderung untermauert wird, bleibt abzuwarten. Der Koalitionsvertrag ist verhandelt, die neue Regierung kann hoffentlich bald starten. Damit steigt auch die Hoffnung, dass die Hängepartie rund um die Nachbesetzung und Wiederbenennung der NBG-Mitglieder ein Ende hat. Die lässt nun seit mehr als zwei Jahren auf sich warten.
Nicht gut, findet auch BASE-Präsident Christian Kühn. Das NBG sei ein entscheidender Akteur bei der Endlagersuche und das Verfahren könne nur gelingen, wenn alle mit geballter Kraft agieren können.
Zwei geologische Gutachten im Fokus
Auf der April-Sitzung wurden auch zwei NBG-Gutachten vorgestellt. Der Sachverständige Michael Weber hatte sich zwei Studien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zum Wirtsgestein Steinsalz genauer angeschaut, die bei der weiteren Eingrenzung der Teilgebiete eine Rolle spielen könnten.
Zum einen ging es um den inneren Aufbau von Salzstöcken. Diese BGR-Studie betrachte – so Michael Weber - gut erkundete Salzstöcke in Deutschland, die aber nicht als Teilgebiet für ein zukünftiges Endlager ausgewiesen sind. Diese generellen Schlüsse müssten mit Blick auf ein Endlager weiter diversifiziert werden.
Eiszeiten, Gletscher und Ungewissheiten
Die andere BGR-Studie, die Michael Weber begutachtete, beschäftigte sich mit der Frage, welche Folgen Eiszeiten auf ein zukünftiges Endlager in Steinsalz haben könnten. Durch Schmelzwasser unterhalb von Gletschern können tiefe Rinnen entstehen, wodurch das wasserlösliche Steinsalz als potenzielles Wirtsgestein für ein Endlager beeinträchtigt wäre.
Da die Dimension von zukünftigen Eiszeiten schwer vorherzusagen ist, spielen Ungewissheiten bei dieser Studie eine wichtige Rolle, so Michael Weber. Es bräuchte einerseits einen sinnvollen Umgang mit diesen Ungewissheiten und andererseits eine Vereinheitlichung der Datenbasis. Beides sei eine große Herausforderung.
All diese Aspekte und Diskussionspunkte der 96. NBG-Sitzung finden Sie auch im Video-Mitschnitt auf unserem YouTube-Kanal.
YouTube-Mitschnitt 96. NBG-Sitzung (10.4.2025)
Aygül Cizmecioglu
Ausführliche Informationen finden Sie bald in einem Ergebnisprotokoll.
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