Kristallingestein raus? Salz nur in flacher Lagerung? Mehr internationale Daten betrachten? In der Jahresauftakt-Sitzung des NBG wurden anlässlich eines im vergangenen Herbst veröffentlichten Positionspapiers der Entsorgungskommission Beschleunigungspotenziale für die im Laufe des Verfahrens anstehenden Erkundungsprogramme betrachtet. Das Ergebnis ist keine Patentlösung, aber eine Liste potenzieller Stellschrauben, deren weitere Betrachtung sich lohnt.
Der Hammer kam gleich zu Beginn: Die Entsorgungskommission (ESK) befürchtet ein Scheitern des Verfahrens aufgrund der langen Dauer. Die ESK als ehrenamtliches und unabhängiges Beratungsgremium für das Bundesumweltministerium (BMUV) und das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) spricht regelmäßig wissenschaftlich-technische Empfehlungen an Politik und Akteure der Standortauswahl aus. So auch im Positionspapier „Beschleunigungspotenziale und strategische Vorgehensweise bei der Identifikation von Standortregionen“, das nach seiner Veröffentlichung im Oktober 2024 für viel Wirbel in der Fach-Community sorgte.
Das muss schneller gehen, findet die Entsorgungskommission
Barbara Reichert, Vorsitzende der ESK, und ESK-Mitglied Klaus-Jürgen Röhlig waren zusammen mit weiteren Vertreterinnen und Vertretern der Kommission zu Gast und stellten die zentralen Erkenntnisse ihres Positionspapiers vor. Die ESK regt etwa an, die Anzahl und Fläche der zu erkundenden Standortregionen zu begrenzen und eine wissenschaftlich fundierte, wirtsgesteinsübergreifende Reihenfolge der Regionen mit den größten Erfolgschancen zu erstellen.
„Geologische Langeweile ist chic“
Tim Vietor von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA) in der Schweiz wirkte ebenfalls an dem Papier mit und findet „geologische Langeweile […] chic“. Damit meint er die Vorteile, die Geologie im Untergrund in einer Region besser vorhersagen und einfacher erkunden zu können als anderswo. Die aufgrund des hohen Erkundungsaufwands und der schwierigen Charakterisierung eher weniger geeigneten Wirtsgesteine sind aus Sicht der Kommission erstens Salz in steiler Lagerung (im Gegensatz zu Salz in flacher Lagerung) und zweitens Kristallin (hier gibt es zudem die Gefahr der potenziellen Durchlässigkeit von Flüssigkeiten, sogenannte Wasserwegsamkeiten).
Um das Verfahren zu beschleunigen, könnten diese beiden Gesteine bei den geplanten Erkundungen in Phase II bereits herunterpriorisiert oder nicht weiterverfolgt werden. Denn warum wichtige Ressourcen binden, wenn es am Ende wenig Aussicht auf Erfolg gibt, findet die ESK.
Der Vorschlag löste - wie zu erwarten - eine hitzige Diskussion aus. Die gesetzlichen Grundlagen zum vorzeitigen Ausschluss von Gesteinsarten müssten nochmal genauer betrachtet werden, fordern einige NBG-Mitglieder. Zudem wünschen sich Gremienmitglieder ein Nachschärfen bei den Vergleichskriterien, insbesondere bei der bisher geringen Datenbasis zu Salz in steiler Lagerung. Denkbar wäre auch eine unabhängige Bewertung des Papiers in einem größeren, vielleicht sogar internationalen wissenschaftlichen Rahmen. Denn die wissenschaftliche Evidenz ist und bleibt für den Erfolg des Verfahrens entscheidend. Immerhin soll die Politik am Ende, basierend auf diesen Daten, den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit festlegen.
Grenzüberschreitende Forschung im Verfahren mehr nutzen
Um das Rad nicht immer wieder neu zu erfinden und doppelte Arbeiten zu vermeiden, könnte das deutsche Verfahren aus Erkundungsprogrammen anderer Länder mehr lernen. Zu diesem Ergebnis kommen die Sachverständigen Jan Behrmann, Jürgen Grötsch und Michael Weber, die für das NBG die anstehenden Erkundungsprogramme der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) genauer betrachteten und die Ergebnisse ihres Gutachtens in der Sitzung vorstellten. Fakt ist: In allen Gesteinsarten gibt es noch viele Fragezeichen, aber die BGE befindet sich zeitlich und methodisch auf einem guten Weg. Weitere Ergebnisse können im Gutachten nachgelesen werden.
Was als Nächstes kommt: Ausblick auf 2025
Am Ende gab es noch einen Ausblick auf den bunten Themenstrauß, den das Gremium im Jahr 2025 betrachten möchte.
Bereits im Frühling veröffentlicht das NBG seinen 5. Tätigkeitsbericht, der zehn zentrale Empfehlungen an Politik und Akteure ausspricht. Außerdem ist das Gremium mitten in der Planung für neue Veranstaltungen: Am 17. Mai 2025 beschäftigt sich das NBG wissenschaftlich mit der bisher eher schleppenden Beteiligung der jungen Generation und lüftet die Geheimnisse von Praxisbeispielen mit Vorbildcharakter. Auch die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Endlagersuche international“ wird im zweiten Halbjahr weitergeführt und betrachtet weitere Länder auf der Suche nach einem Endlagerstandort.
Das NBG wird außerdem einen ganzheitlichen Blick auf den Entsorgungspfad werfen – von der deutschen Forschungs- und Förderlandschaft über die anstehenden Regionalkonferenzen bis hin zu den Folgen der verlängerten Zwischenlagerung.
All diese Aspekte und Diskussionspunkte der 93. NBG-Sitzung finden Sie auch im Video-Mitschnitt auf unserem Youtube-Kanal.
YouTube-Mitschnitt 93. NBG-Sitzung (16.1.2025)
Ellen Boettcher
Ausführliche Informationen finden Sie in dem Ergebnisprotokoll anbei.
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