Die Endlagersuche ist ein Marathon und kein Sprint – man muss Jahrzehnte im Blick behalten, also auch zukünftige Generationen. Aber wie bindet man junge Menschen in das Verfahren ein? Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung stellte dazu sein Beteiligungskonzept vor. Außerdem auf der Agenda: der Umgang mit Zwischenlagern und was man von anderen großen Gesellschaftsprojekten lernen kann.
Umweltthemen und Jugend – spätestens seit Fridays for Future scheint das eine publikumswirksame Kombi zu sein. Aber wie neugierig sind junge Menschen auf die Endlagersuche, dieses gesellschaftliche Mammutprojekt, angelegt auf Jahrzehnte? Noch hält sich das Interesse in überschaubaren Grenzen. Halb Deutschland ist derzeit im Rennen als Endlagerstandort – das bedeutet auch: Keine Betroffenheit, wenig Neugier, auch bei jungen Menschen.
Informieren, Interesse wecken, vernetzen
Das will das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), das federführend für die Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig ist, ändern. Auf der Juli-Sitzung stellt das interdisziplinär aufgestellte Team sein aktualisiertes Beteiligungskonzept und die daraus abgeleiteten Maßnahmen speziell für junge Menschen vor. Das Ziel für 2024 und 2025 sei es, den Fokus vor allem auf Information und Vernetzung zu setzen. Eine verständliche, zielgruppengerechte Sprache sei dabei entscheidend.
Das Angebot reicht von Auftritten auf Bildungsmessen wie der Didacta über Planspiele bis zu themenspezifischen Unterrichtsmaterialien und Apps für Schulen. So wurde z. B. eigens für Kita- und Grundschulkinder ein Mal- und Rätselheft mit dem Titel „Wohin mit dem Müll?“ konzipiert.
Wenig voraussetzen, an konkreten Beispielen anschaulich erklären – das sei wichtig. Graphic Novels zum Thema Endlagerung, Gestaltungsworkshops, bei denen junge Menschen sich damit auseinandersetzen, wie ein Endlager eigentlich aussehen könnte – es brauche genau solche vielfältigen spielerischen Ansätze, um Neugier zu wecken.
Was bringen die Maßnahmen?
Doch wie wirksam sind die bisherigen Maßnahmen? NBG-Mitglieder und Gäste betonten, die Bedeutung der Evaluation. Man müsse Erfolgsfaktoren herauskristallisieren und diese stärker mit den zukünftigen Angeboten verzahnen. Darüber hinaus kamen Fragen auf, inwieweit Lehrerinnen und Lehrer befähigt werden, das Thema Endlagerung im Unterricht adäquat zu vermitteln. Sinnvoll – so der Vorschlag in der Diskussion – wäre z. B. eine zentrale Koordinierungsstellte für Lehrpersonal, um eine bessere Vernetzung zu ermöglichen.
Den Fakt ist: Das Thema ist komplex. Viele Akteure, viele Fachbegriffe und ein Verfahren, das länger dauern wird, als ursprünglich geplant. Da braucht es Überblick, Verständlichkeit und passgenaue Angebote für die unterschiedlichen Zielgruppen. Das gilt für die Endlagersuche, aber auch für die Zwischenlagerung, wie auf der Sitzung deutlich wurde. Denn beide Themen sind aufs Engste miteinander verbunden.
Wie geht es weiter mit den Zwischenlagern?
Die Genehmigungen für die Zwischenlager in Deutschland laufen in den nächsten Jahren peu à peu aus, da ist noch kein Endlager in Sicht. Wie geht man in der Zwischenzeit mit den größtenteils oberirdisch lagernden radioaktiven Abfällen in den Zwischenlager-Standorten um?
Mit dieser Frage beschäftigt sich das NBG schon seit Jahren, u. a. mit eigenen Veranstaltungen. Auf der Juli-Sitzung wurde nun diskutiert, in welchem Maße das Gremium sich in Zukunft bei der Zwischenlager-Thematik engagieren möchte.
Neue Steuerungsgruppe: ja oder nein?
Einen Impuls von außen gab es von Asta von Oppen. Die Grande Dame der Anti-Atomkraft-Bewegung ist Mitglied im Planungsteam Forum Endlagersuche und lebt selbst in der Nähe von Gorleben, einem Zwischenlager-Standort. Hier läuft die Betriebsgenehmigung bereits 2034 aus. Es gibt ihrer Ansicht nach also Handlungsbedarf. Asta von Oppen und Johannes Hunger, ein weiteres Mitglied des Planungsteams Forum Endlagersuche, bringen die Idee einer zusätzlichen Steuerungsgruppe, speziell für die Zwischenlager-Thematik auf.
Eine Gruppe, zusammengesetzt u. a. aus Mitgliedern der Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), der betroffenen Gemeinden und des Nationalen Begleitgremiums , die unter der Ägide des Bundeamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), den Prozess kritisch und konstruktiv verfolgen und jährliche Info-Veranstaltungen organisieren könnte – so der Vorschlag von Asta von Oppen.
Dass die Zwischenlagerung eine kontinuierliche Begleitung bedarf, darüber war man sich auf der NBG-Sitzung einig. Wie diese genau aussehen kann und ob eine zusätzliche Gruppe in dem schon recht ausufernden Institutionengeflecht nötig und sinnvoll ist, darüber gibt es noch Diskussionsbedarf.
Meet the Member – Markus Dröge!
Die Endlagersuche ist ein Novum. Da hilft vielleicht der Blick über den Tellerrand auf andere gesellschaftliche Großprojekte. Was können wir von diesen lernen? Diese Frage stellte NBG-Mitglied Markus Dröge in der Reihe „Meet the Member“. Darin geben unterschiedliche Gremienmitglieder biografische Einblicke und zeigen auf, warum sie sich bei der Endlagersuche engagieren.
Markus Dröge, Diplomatensohn und Theologe, ist davon überzeugt, dass der Glaube auch eine gesellschaftliche Verantwortung mit sich bringt. So hat er Transformationsprozesse innerhalb der Kirche angestoßen und sich für mehr Öffentlichkeitsbeteiligung in kirchlichen Strukturen eingesetzt. Ein erster Berührungspunkt mit dem Thema „Atomkraft“ war seine Zeit als Pfarrer und Superintendent in Koblenz, wo er sich aus Sicherheitsbedenken gegen den Bau des Atomkraftwerks in Mülheim-Kärlich engagierte.
Strukturwandel in der Lausitz
Diese Erfahrungen halfen ihm auch später als Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Hier musste Markus Dröge als Kirchenvertreter eine der wichtigsten Gesellschaftsprojekte der Republik moderieren – den Ausstieg aus der Braunkohle und den damit einhergehenden Strukturwandel in der Lausitz.
Das Aus für das traditionsreiche Kohlerevier hinterließ ein großes Vakuum bei den Menschen vor Ort. Jobs und Ausbildungsplätze gingen verloren, Ängste kamen hoch. Markus Dröge berichtet, wie die Kirche dabei ihrer Verantwortung versuchte, gerecht zu werden, indem sie 2017 ein eigenes „Zentrum für Dialog und Wandel“ (ZDW) einrichtete. Ein Forum für den Austausch und Begleitung der Betroffenen – ohne Eigeninteressen, ausgestattet mit Vertrauen als „Kapital“.
Emotionen nicht unterschätzen
Solch ein „dritter Ort“ eine Art Brücke zwischen Bürger*innen, Politik und Fachleuten, sei auch das NBG. Markus Dröge unterstreicht, dass solche gesellschaftlichen Großprojekte – ob Strukturwandel in der Lausitz oder die Endlagersuche – ein hohes Maß an Sensibilität erfordern. Existentielle Betroffenheit würde oft Sachdiskussionen überdecken. Man müsse diese emotionale Ebene als wesentlichen Faktor im Prozess ernst nehmen.
„Was wird aus meiner Region, wenn hier ein Endlager hinkommt?“ „Sinken die Preise für mein Grundstück?“ „Ziehen meine Kinder weg, weil sie hier keine Perspektive mehr sehen?“ Solche Fragen dürfen nicht degradiert werden, sondern müssen durch eine behutsame Moderation und unterschiedliche Austauschformate flankiert sein. Auf der Sitzung wird diskutiert, ob die Regionalentwicklung bei der Endlagersuche Teil des NBG-Auftrags ist und ob man diese Aspekte zukünftig mit auf die Agenda nehmen sollte.
All diese Aspekte und Diskussionspunkte der 87. NBG-Sitzung finden Sie auch im Video-Mitschnitt auf unserem Youtube-Kanal.
YouTube-Mitschnitt 87. NBG-Sitzung (18.7.2024)
Aygül Cizmecioglu
Ausführliche Informationen finden Sie in dem Ergebnisprotokoll unten.
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