Die Endlagersuche dauert länger als geplant. Aber wie sollte auf diesem langen Weg die Öffentlichkeit informiert werden – peu à peu oder doch am Ende von wichtigen Wegmarken? Darüber wurde auf der April-Sitzung online diskutiert. Es gab neue Gesichter im NBG und ein Gutachten über das Innere von Salzstöcken.
Es war eine Premiere für Christoph Komoß und Jürgen Rüffer – ihre erste offizielle NBG-Sitzung. Zusammen mit Gül Kuscu werden sie das Gremium als neue Bürgervertreter*innen mit ihrer Perspektive bereichern.
Aus dem kühlen Norden kommt Christoph Komoß. Er arbeitet als Raumausstattermeister im Familienbetrieb in Bremen. Der 24jährige vertritt in den kommenden drei Jahren die junge Generation im NBG. Jürgen Rüffer aus Hannover ist von Hause aus Vermessungsingenieur. Der 69jährige hat eine eigene Firma aufgebaut, wird aber bald in den Ruhestand gehen. Somit hat er noch mehr Zeit für seine vielen ehrenamtlichen Engagements. Im NBG freut er sich vor allem auf die Vielfalt im Gremium und den Austausch mit den anderen Mitgliedern.
Zuhören, beobachten, versuchen, die komplexen Diskussionsfäden nicht zu verlieren – gerade für die neuen Mitglieder eine große Herausforderung. Und ein Ansporn für alle, verständlich zu kommunizieren - weniger Abkürzungen, mehr Erklären als Voraussetzen.
Das war gerade auf der April-Sitzung gefragt, vor allem weil viele geologische Themen auf der Agenda standen.
Blick ins Innere von Salzstöcken
So präsentierte der NBG-Sachverständige Michael Weber sein Gutachten zum Wirtsgestein Salz. Neben Ton und Kristallin ist Salz eine von drei Gesteinsarten, die für ein Endlager in Deutschland infrage kommen. Bei Salzstöcken ist es generell schwierig, anhand von Messungen von der Erdoberfläche aus festzustellen, wie sie in ihrem Inneren aufgebaut sind. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die das Standortauswahlverfahren umsetzt, hat einige Vorschläge erarbeitet, wie man dieses Problem lösen könnte. Ihr Vorschlag: Alte Messdaten mit neueren Techniken aufarbeiten und daraus Rückschlüsse über das Innere des Salzstocks ziehen. Doch wie erfolgsversprechend ist das?
Für den NBG-Gutachter Michael Weber gibt es nach wie vor große Lücken in den Datenbeständen der BGE. Für die Beschaffung und Aufarbeitung wären sogenannte „Data Scouts“, die aktiv und gezielt nach existierenden Daten und Studien suchen, eine große Hilfe. Strukturen in dreidimensionalen (3D) Salzstöcken mit zweidimensionalen (2D) Messungen zu erkennen, sieht er kritisch. Mögliche Störungen im Inneren von Salzstöcken könnten nur sicher zugeordnet werden, wenn 3D-Seismik mit Bohrinformationen kombiniert werde.
Unterschiedliche Meinungen zu Kristallin
Ein anderer Vorschlag der BGE wurde von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) unter die Lupe genommen. Bei der BGR bündelt sich die geologische Fachkompetenz des Landes. So berät die Behörde und Forschungseinrichtung z.B. die Bundesregierung in geowissenschaftlichen Fragen. Wie beurteilt sie nun den folgenden Vorschlag der BGE: Diese diskutiert, bei der weiteren Eingrenzung der potentiellen Gebiete, jene Flächen auszuschließen, in denen ein mögliches Endlager von weniger als 500 m Kristallingestein bedeckt ist – aus Sicherheitsgründen, da hier das Gestein zu durchlässig sei.
Doch die BGR sieht diesen Vorschlag kritisch. Kristallinvorkommen seien sehr vielschichtig und eine pauschale Aussage über die Durchlässigkeit des Gesteins könne nicht getroffen werden. Wie die BGE mit dieser Kritik an ihrer Arbeitshypothese umgeht, bleibt nun abzuwarten.
Wie schnell lassen sich Gebiete eingrenzen?
Das Problem: Im Moment ist noch halb Deutschland als potentieller Endlagerstandort im Rennen. Es gibt keine wirkliche Betroffenheit, kein großes Interesse an dem Thema. Eine zügige Eingrenzung der Fläche wäre sinnvoll. Hinzukommt: Die Endlagersuche wird länger dauern als ursprünglich geplant. Keine Standortentscheidung also 2031. Jetzt ist die Rede von 2046 bis 2068 – eine Verzögerung um Jahrzehnte. Eine NBG-Veranstaltungsreihe thematisiert genau diesen Punkt und welche Folgen die Verzögerung auf das ganze Verfahren haben könnte – von der Geologie über das Problem mit den überirdischen Zwischenlagern bis zum Fachkräftemangel.
Wer darf mitreden?
Neu justieren müssen sich vor diesem veränderten Zeithorizont auch die verantwortlichen Akteure. Auf der NBG-Sitzung waren Vertreter*innen vom Bundesumweltministerium (BMUV) und dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) dabei. Sie haben einen Arbeitskreis zu dem Thema gegründet. Das Ziel sei, zu schauen: Wo gibt es Optimierungs- und Beschleunigungspotential im Verfahren? Es sei angedacht, punktuell auch die Expertise von der BGE und dem NBG einzubinden. Doch genau das war für einige Bürger*innen, die an der Sitzung teilnahmen, zu wenig. Die Öffentlichkeit gehöre mit an den Tisch, hieß es – und zwar von Anfang an.
Zudem wurde gefordert, über das laufende Verfahren kontinuierlich zu informieren und nicht erst am Ende von wichtigen Zeitetappen. Das NBG sieht das ähnlich. Die Partizipation brauche eine Regelmäßigkeit, sonst bestünde die Gefahr auf diesem langen Weg der Endlagersuche die Menschen zu verlieren. Überfordert man nicht auch Laien, wenn man sie alle paar Jahre mit Fachberichten konfrontiert, statt sie peu à peu mitzunehmen?
Weniger Bedenken, mehr Chancen sehen
Die Sorge der BGE, die Vorläufigkeit der Zwischenergebnisse könnte in der Bevölkerung nicht ankommen und so unbegründet zu Widerstand und Ängsten führen, ließ eine Bürgerin nicht zu, ebenso das Beharren des BASE, bei der Veröffentlichung von Zwischenschritten strikt den gesetzlichen Rahmen einzuhalten.
Es sei alles eine Frage der klaren Kommunikation. Man müsse statt an Paragrafen zu hängen, die Möglichkeiten des Standortauswahlgesetzes im Blick behalten. Schließlich solle das Gesetz den Menschen dienen. Und wer immer wieder die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung betone, müsse auch dementsprechend handeln. Klare Worte!
All diese Aspekte und Diskussionspunkte der 73. NBG-Sitzung finden Sie auch im Video-Mitschnitt auf unserem Youtube-Kanal.
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