In der ersten Online-Sitzung des neuen Jahres wurde die Diskussion rund um die Verzögerung der Endlagersuche fortgesetzt. Ab März wird sich eine eigene NBG-Veranstaltungsreihe mit den Konsequenzen dieses neuen Zeitplans beschäftigen. Außerdem: Welche Rolle spielen Zukunftsszenarien, wenn es um die Sicherheit des künftigen Endlagers geht?
1 Million Jahre – ein unvorstellbar langer Zeitraum. So lange soll der hoch radioaktive Müll sicher unter der Erde lagern, so der Plan bei der Endlagersuche. Aber wie kann man das wissenschaftlich überhaupt fassbar machen, wenn doch die zeitliche Dimension das menschliche Vorstellungsvermögen schier sprengt? Hier spielen die sogenannten FEP-Kataloge eine entscheidende Rolle.
Der Titel klingt erst einmal sperrig, wahrscheinlich können die wenigsten Laien damit etwas anfangen. FEP steht für Features, Events and Processes, wie Klaus-Jürgen Röhlig am Anfang seines Vortrags im Rahmen der NBG-Speakers Serie erklärte. Er ist Sprecher des TRANSENS-Projekts, wo transdisziplinär zur nuklearen Entsorgung geforscht wird.
Zukunftsszenarien für die Sicherheit
Die FEP-Kataloge fokussieren die langfristige Sicherheit des kompletten Endlagersystems. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle – von der Temperatur der Behälter, in denen der atomare Abfall eingelagert wird, bis zu äußeren „Störfaktoren“ wie z.B. Erdbeben. Auf Basis von wissenschaftlichen Fakten und Informationen werden dann unterschiedliche Zukunftsszenarien entwickelt.
Was wäre wenn etwa nach der Einlagerung Gesteinsklüfte, mit denen man nicht gerechnet hatte, auftauchen? Oder die Behälter korrodieren? FEP-Kataloge dienen dazu, das zukünftige Endlagersystem unter verschiedenen Belastungssituationen durchzudeklinieren.
Es sind keine Prognosen, weil man natürlich die Zukunft nicht vorhersagen kann. Es sind aber auch keine Utopien, weil sie Bezug nehmen auf den heutigen Wissens- und Informationsstand. Es ist eher ein Denken in Alternativen, um mehrere plausible Szenarien rund um Fragen der Endlagersicherheit zu entwickeln.
Ein Problem: Nachwuchs fehlt
Klaus-Jürgen Röhlig betont, dass die FEP-Kataloge auch international etablierte Werkzeuge des Wissensmanagements sind. Die Entwicklung der Zukunftsszenarien sei aber in Deutschland eine besondere Herausforderung, da hierzulande – anders als z.B. in Finnland oder der Schweiz - gleich drei Gesteinsarten für ein zukünftiges Endlager infrage kommen, nämlich Ton, Salz und Kristallin. Mehr Gesteinsoptionen heißt: mehr Szenarien!
Als jemand, der auch seit Jahren in der Endlagerforschung arbeitet, besorgt ihn aber auch etwas ganz anderes: Die Wissenschaft auf diesem Gebiet hat ein echtes Nachwuchsproblem. Und je weniger Studierende sich für das Thema interessieren, desto weniger Fördergelder fließen in die entsprechende Forschung – ein Teufelskreis.
Verzögerung um Jahrzehnte
Das fehlende Interesse wird künftig wohl noch verstärkt durch den neuen Zeitplan. Im November 2022 wurde öffentlich, dass die Endlagersuche länger dauern wird als geplant. Keine Standortentscheidung 2031 also. Die Rede ist nun von 2046 bis 2068 – eine Verzögerung um Dekaden.
Wie geht es jetzt weiter und wie positioniert sich das NBG dazu? Darüber wurde innerhalb des Gremiums kontrovers diskutiert. Einige Mitglieder sehen in der Verzögerung auch die Chance, mehr Sorgfalt in das Verfahren zu bringen – ohne Zeitdruck.
Andere wiesen darauf hin, dass durch den längeren Zeithorizont auch die Gefahr besteht, dass der gesellschaftliche und politische Konsens zur Endlagersuche bröckelt.
Einig ist man sich darüber, dass die Qualität des Verfahrens durch die Verzögerung nicht leiden darf. Es darf keine Abstriche geben – weder bei der Sicherheit noch im Bereich der Partizipation. Noch immer gilt das NBG-Credo: Sorgfalt vor Eile - allerdings ohne unnötigen Verzug.
Zeitplan im Fokus einer NBG-Veranstaltungsreihe
Auch die Transparenz darf durch die Verzögerung nicht auf der Strecke bleiben. Daher erstaunte es viele NBG-Mitglieder auf der Januar-Sitzung zu erfahren, dass es bereits vertrauliche Gespräche zum Thema zwischen dem Bundesumweltministerium (BMUV), dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) als Aufsichtsbehörde und der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die das Verfahren umsetzt, gab.
So verständlich auch geschützte Räume des Austausches sind, so entscheidend ist es, alle Akteure – auch das NBG und die interessierte Öffentlichkeit – frühzeitig mit in den Dialog einzubinden. Gerade wenn es um so eine wichtige Weichenstellung im Verfahren geht.
Das NBG wird den neuen Zeithorizont der Endlagersuche ab März in einer eigenen Veranstaltungsreihe zusammen mit allen Akteuren und der Öffentlichkeit online diskutieren. Was bedeutet die Verzögerung für den weiteren Prozess und die unterschiedlichen Themenfelder – von der Zwischenlagerung bis zur Geologie? Diese Frage wird im Fokus der jeweiligen Folgen stehen.
All diese Aspekte und Diskussionspunkte der 70. NBG-Sitzung finden Sie auch im Video-Mitschnitt auf unserem Youtube-Kanal.
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