Das Standortauswahlgesetz ist das Fundament der Suche nach einem Atommülllager in Deutschland. Aber wie legt man es aus – defensiv oder offensiv? Macht man nur, was im Gesetz an formaler Beteiligung steht oder mehr, was rechtlich auch möglich wäre? Freiräume, Zwänge und Chancen – darum ging es unter anderem beim BfE-Besuch.
Es war eine Premiere mit umgekehrten Rollen. Während sonst Mitarbeitende des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) regelmäßig Gast bei den NBG-Sitzungen sind, war nun das Gremium zu Besuch beim BfE in Berlin. Und es zeigte sich – es ist gut, ab und an eingefahrene Rollen und Muster zu überdenken.
Dr. Silke Albin, Vizepräsidentin des BfE, betonte, dass die gesetzlich festgeschriebenen „Label“ manchmal die Kommunikation zwischen den Akteuren erschweren. Mehr Empathie, mehr Reflektion, mehr miteinander reden – das sah auch Prof. Klaus Töpfer, Ko-Vorsitzender des NBG als Basis für eine gute Zusammenarbeit.
Blick von außen
Er regte an, ein Instrument aus der Wissenschaft – die Peer Review – auch für das Standortauswahlverfahren zu nutzen. Unabhängige Experten von außen könnten sowohl den bisherigen Stand der Endlagersuche bewerten, als auch das Miteinander der einzelnen Akteure. Der Blick von außen, um Konflikte und Probleme besser benennen und lösen zu können.
Eine konstruktive Kommunikation: Ja! Dabei darf der kritische Blick des NBG aber nicht getrübt werden. Das BfE stellte seine bisherigen und geplanten Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung vor – von der mobilen Endlagerausstellung, über eine zukünftige Info-App bis zu einem Runden Tisch mit Bildungsexperten reicht die Palette.
Nur informieren reicht nicht
Gute, vielfältige Angebote, die alle vor allem eins tun: informieren. Wo bleibt das Mitgestalten, die Beteiligung auf Augenhöhe? Das Wissen wird zwar über unterschiedliche Kanäle an eine breite Öffentlichkeit angeboten, aber ein echter Dialog wird nur mit wenigen geführt. Das Gremium kritisierte erneut diese Top-down-Strategie.
Diese spiegelt sich z. B. bei der geplanten BfE-Statuskonferenz im November wider. Sie findet wie schon im letzten Jahr wochentags statt. Kein Problem für Experten, die sich mit dem Thema beruflich beschäftigen. Aber für die interessierten Bürger*innen heißt das: Aufwand! Da kann die Teilnahme schon an fehlenden Urlaubstagen scheitern.
Das BfE begründete die Terminierung damit, dass die Statuskonferenz zwar öffentlich sei, aber primär auf ein Fachpublikum abziele. Zudem werde die Veranstaltung für alle Interessierten per Livestream samt Chatfunktion online übertragen. Aber ersetzt eine digitale Kommentarfunktion die lebendige Diskussion in echt? Was hätte dagegen gesprochen, die zweitägige Konferenz an einem Freitag und Samstag zu platzieren? Ein Kompromiss, der weniger Menschen ausgeschlossen hätte.
Wer darf mitmachen?
Doch das BfE zeigt auch, dass es aus Kritik lernt. Angedacht ist, durch Key Notes Perspektiven von außen einzuholen – z. B. internationale Sichtweisen oder die Meinung von Menschen, die aus völlig anderen thematischen Kontexten kommen. In diesem Jahr soll es zudem für die unterschiedlichen Akteure eigene Fachforen geben, die z. B. das NBG oder zivilgesellschaftliche Gruppen, wie Bürgerinitiativen oder Verbände, selbst gestalten können.
Die BfE-Lernkurve macht jedoch hier einen Knick. Was ist mit normalen Bürger*innen, Jugendlichen, kommunalen Vertreter*innen und Wissenschaftler*innen? Auch sie sollten eine eigene Plattform auf der Statuskonferenz bekommen, um ihre Ideen und Fragen einbringen zu können. Von BfE-Seite ist zumindest geplant, bei Bedarf ein offenes Forum dafür anzubieten.
Dabei, aber ohne Stimme!
Wer macht wo mit? Die Zusammensetzung ist auch ein Hauptkritikpunkt bei der Vorbereitungsgruppe für die Fachkonferenz Teilgebiete. Im nächsten Jahr, nach der Veröffentlichung möglicher Teilgebiete für ein Endlager, wird diese Konferenz stattfinden. Eine wichtige Wegmarke im Prozess. Eine erste Nagelprobe dafür, ob das Verfahren Vertrauen in der Bevölkerung genießt oder nicht.
Zur Vorbereitung dieser wichtigen Veranstaltung hat das BfE eingeladen: die BGE, kommunale Spitzenverbände, das NBG und den Partizipationsbeauftragten. Aber Vertreter*innen gesellschaftlicher Organisationen, Wissenschaftler*innen und „normale Bürger*innen“ fehlen in einer aktiven Rolle. Sie dürfen zwar zu dem öffentlichen Treffen der Vorbereitungsgruppe am 15. August kommen, haben aber bisher keine Rederecht.
Wie entsteht Vertrauen?
Das BfE begründet diese Vorgehensweise damit, eine erste Arbeitsgrundlage im kleinen Kreis schaffen zu wollen. In der ersten Phase des Verfahrens stünde die Information im Vordergrund. Man erprobe zwar schon jetzt einige Beteiligungsformate. Diese sollen aber erst in der zweiten Phase in den Mittelpunkt rücken. Aber ist das nicht viel zu spät? Verspielt man mit dieser defensiven Interpretation des Gesetzes nicht eher Vertrauen, als welches aufzubauen?
Das NBG betont immer wieder, dass die Suche nach einem Endlager zwar auf eine politische Mehrheit fußt, der gesellschaftliche Konsens aber erst erarbeitet werden muss. Vertrauen ist dabei essentiell. Und das entsteht durch Transparenz und Verständlichkeit.
Zwei Rechtstexte, viele Fragen
Gleich zwei wichtige gesetzliche Grundlagen wurden als Entwürfe im Juli veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Eins davon: das langerwartete Geologiedatengesetz. Wie soll man in Zukunft mit Geodaten umgehen? Denn erst wer den geologischen Untergrund kennt, kann eine Entscheidung darüber treffen, wo nach einem vergleichenden Suchverfahren ein Endlager mit der bestmöglichen Sicherheit gebaut werden kann.
Doch was passiert, wenn z. B. private Firmen Rechte an diesen Geodaten haben. Der aktuelle Referentenentwurf sieht eine Einteilung der Daten in drei Kategorien vor. Werden diese als Bewertungsdaten eingestuft – darunter fallen etwa Analysen und Einschätzungen, z. B. in Form von Gutachten oder Studien - ist eine Veröffentlichung nicht vorgesehen.
Und genau darin liegt das Problem. Wer nicht alle Daten veröffentlicht, wird Misstrauen in der Öffentlichkeit säen. Zwar sieht der Referentenentwurf mit Paragraph 34 eine Einzelfall-Abwägung vor, bleibt dabei aber sehr vage.
Private Interessen oder Gemeinwohl?
Was überwiegt bei dieser einzigartigen gesellschaftlichen Mammutaufgabe – das Privat- oder das Gemeinwohlinteresse? Das NBG befürwortet eine „Umkehr der Beweislast“. Alle Geodaten sollten veröffentlicht werden können – es sei denn, die Unternehmen können nachweisen, dass sie ein geschütztes Recht an bestimmten Daten haben. Also keine Einschränkung der Veröffentlichung vorab aus rechtlichen Bedenken heraus.
Ein weiterer Knackpunkt im Referentenentwurf: Die Kategorisierung der Daten soll durch die einzelnen Staatlichen Geologischen Dienste der Bundesländer erfolgen – und zwar innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Geologiedatengesetzes. Ein sehr ehrgeiziger Plan, aber auch machbar? Der jetzige Entwurf wirft viele Fragen auf und bietet wenige klare Antworten!
Zeitdruck schafft Probleme
Ähnlich sieht es bei dem Entwurf des Bundesumweltministeriums (BMU) zu der Verordnung über die Sicherheitsanforderungen und vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen aus. Ein hochtechnischer, komplexer Sachverhalt, den Laien auf den ersten Blick nicht unbedingt sofort verstehen. Grob zusammengefasst geht es um Sicherheit und Strahlenschutz – Kernpunkte des Standortauswahlverfahrens.
Das BMU hat einen Entwurf online gestellt. Dort kann man ihn kommentieren – wenn man ihn überhaupt versteht. Eine verständliche Aufbereitung für Nichtjurist*innen und Wissenschaftler*innen fehlt. Das soll in einem öffentlichen Symposium am 14.-15. September erfolgen. Will man anschließend seine finale Einschätzung der Entwürfe ans BMU schicken, so hat man bis zum 20. September Zeit. Fünf Tage, um sich mit einem solch komplexen Thema auseinanderzusetzen. Die einhellige Meinung auf der Sitzung war – das ist viel zu kurz und kaum zu schaffen.
Das NBG sieht, dass diese Verordnung sehr wichtig für das Verfahren sein wird und möchte ohne Zeitdruck zwei Gutachten dazu in Auftrag geben. Zudem werden einige Gremienmitglieder an dem Symposium teilnehmen und ihre Kritik an der Vorgehensweise des BMU kundtun.
Erste Kooperation nimmt Form an
Zuhören und miteinander reden – diese Art des Umgangs wurde auf der 32. Sitzung immer wieder als Wunsch von allen geäußert. Welche positiven Effekte dadurch entstehen können, zeigt sich an der ersten Kooperation zwischen NBG, BGE und BfE. Der gemeinsame Jugendworkshop beginnt nun Form anzunehmen.
Ein erster Ablauf der Veranstaltung steht, Moderatoren und Referenten sind angefragt, das grafische Konzept ist fast fertig. Rund 80 junge Menschen werden vom 25. bis zum 27. Oktober in Kassel zusammenkommen und die Frage diskutieren: Wie wollen sie sich in der Endlagersuche beteiligen? Offene Formate, Storytelling und ein Science Slam stehen auf der Agenda.
Die gemeinsame Arbeitsgruppe ist sich einig - die Zusammenarbeit ist konstruktiv und sehr kollegial. Es ist also möglich: kritisch und hinterfragend auf das Verfahren und die anderen Akteure zu blicken. Aber auch in bestimmten Momenten die Kräfte zu bündeln, um Neues zu schaffen.
Aygül Cizmecioglu
Die Kurzberichte greifen ohne Anspruch auf Vollständigkeit ein paar Schlaglichter aus den Sitzungen auf. Ausführliche Informationen finden Sie im Ergebnisprotokoll anbei.
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