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End­la­ger­su­che in­ter­na­tio­nal - Schweiz im Fo­kus

NBG-Veranstaltung "Endlagersuche international - Schweiz im Fokus" (3.6.2024, Online) NBG-Veranstaltung "Endlagersuche international - Schweiz im Fokus" (3.6.2024, Online)
Yagnik/Stock.Adobe.com

03.06.2024

In Folge 2 der NBG-Reihe blickten wir in die Schweiz. Wie sieht die Endlagersuche in unserem Nachbarland aus? Welche Rolle spielte der Faktor Zeit und das Thema Partizipation? Und wie beeinflusst die direkte Demokratie das Verfahren dort?

Während die Endlagersuche in Deutschland noch wenig Profil zeigt, sind unsere Schweizer Nachbarn schon recht weit. Mit dem Opalinuston steht die Gesteinsart der Einlagerung schon fest. Auch das Wann und Wo ist weitestgehend entschieden. Das Endlager soll in der Region Nördlich Lägern nahe der deutschen Grenze entstehen und mit der Einlagerung der hoch radioaktiven Abfälle will man ab ca. 2060 beginnen – falls die Bevölkerung zustimmt.

Veto-Recht am Ende

Denn in keinem anderen Staat verfügt das Volk über so umfassende Mitbestimmungsrechte wie in der Schweiz. Und so gibt es am Ende des Verfahrens auch die Möglichkeit eines Volksentscheids. Wenn genügend Unterschriften zusammenkommen, kann es in einem fakultativen Referendum münden und das Schweizer Volk hätte in puncto Tiefenlager das letzte Wort.

Für Sophie Kuppler waren die Diskussionen rund um dieses Veto-Recht im Vorfeld ein Qualitätszeichen des Schweizer Verfahrens. Die Sozialwissenschaftlerin vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) forscht seit Jahren zur Endlagersuche in Deutschland und der Schweiz. Argumente austauschen, Kompromisse finden – diese Aushandlungsprozesse seien charakteristisch für das Schweizer Verfahren, so Sophie Kuppler in ihrem Vortrag. Denn im Gegenzug zu dem Veto-Recht am Ende des Verfahrens wurde das kantonale Mitbestimmungsrecht in der frühen Phase abgeschafft.

Gestaltungsräume schaffen

Die Aufgabe dieser kantonalen Autonomie ist für die Eidgenossen eine absolute Seltenheit, gehört doch die direkte Demokratie zur DNA des Alpenstaates. Wie konnte dieser Kompromiss also gelingen? Indem man detailliert skizzierte, welche Gestaltungsspielräume die Öffentlichkeit hat, betont Tim Vietor von der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), die das Verfahren in der Schweiz umsetzt.

So wurden die Regionalkonferenzen an den Standorten, die in die engere Auswahl kamen, finanziell so ausgestattet, dass sie sich über unabhängige Experten/Expertinnen Wissen aneignen konnten. Erst dadurch konnte die Öffentlichkeit ein wichtiges Korrektiv im Verfahren werden.

Lernen heißt nachjustieren

Wie richtungsweisend das ist, wurde 2015 deutlich. Nördlich Lägern war von der Nagra als Standort bereits ausgesiebt worden. Die Kantonale Expertengruppe Sicherheit war damit nicht einverstanden und mahnte die Nagra zur Rücknahme ihres Vorentscheids. Am Ende machte genau dieser Standort das Rennen.

Während in Deutschland solch eine Wendung eher als ein Zeichen des Misstrauens gegenüber den staatlich Verantwortlichen gewertet würde, sah man in der Schweiz darin eher die Qualität des lernenden Verfahrens. Und das muss offen sein für Überraschungen und Neustarts. Jahrelang suchten die Schweizer ein Endlager in kristallinem Gestein, bis sie 2008 das Verfahren komplett neu aufsetzten und sich auf den Opalinuston fokussierten. 

Auch in Deutschland wurde 2017 die Suche neu aufgesetzt – begleitet vom langen Schatten der jahrzehntelangen Atomkraft-Debatten. Der Vertrauensverlust, ausgelöst durch die politischen Fehlentscheidungen in Gorleben, hallen in Deutschland bis heute nach. Und das hat auch Auswirkungen auf die hiesige Endlagersuche, wie die beiden Moderatoren des NBG, Monika C. M. Müller und Manfred Suddendorf, hervorheben.

Pragmatismus & Dialog

In Deutschland sei eine „Streitkultur“ prägend und in der Schweiz herrsche eher eine „Geduldskultur“, bringt es ein Teilnehmer auf den Punkt. In der Tat: Das Verfahren werde in seiner Heimat als gesellschaftliche Gesamtaufgabe wahrgenommen, für die es Verantwortung zu übernehmen gelte, so Stefan Jordi. Er arbeitet beim Bundesamt für Energie (BFE), das die Gesamtverantwortung für das Schweizer Verfahren innehat und maßgeblich für die Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig ist.

Wie können wir gemeinsam die beste Lösung finden? Dieser Pragmatismus sei prägend. Gleichzeitig gelte es auch Vertrauen zu schaffen durch Verbindlichkeit und direkte Ansprechpartner*innen. Partizipation funktioniere selten vom Schreibtisch aus. Es brauche Gesichter und Räume des Dialogs.  

Fragen stellen & Antworten bekommen

So wurde in der Schweiz auch das sogenannte „Technische Forum Sicherheit“, zusammengesetzt aus Vertreter*innen der Kantone, der staatlichen Akteure und von Bürgerinitiativen etabliert, an das sich jeder/jede mit naturwissenschaftlich-technischen Fragen wenden kann.

Woher weiß man, dass Opalinuston das richtige Gestein für das Schweizer Tiefenlager ist? Weil das Land u. a. schon seit Jahren im Forschungslabor Mont Terri zu Opalinuston forscht und eine gute Expertise dazu hat. Wie kann die Sicherheit im Tiefenlager gewährleistet werden? Indem man zusätzlich zu dem Tiefenlager z. B. auch ein Test/Pilot-Lager errichtet, in dem man standortspezifische Untersuchungen machen und Gesteinsbewegungen und Wärmeentwicklungen monitoren kann. Fragen stellen, verbindliche, zeitnahe Antworten bekommen – das sei das A und O, so Stefan Jordi.

Alles Gold was glänzt?

Alles bestens, eine einzige Schweizer Erfolgsgeschichte? Nicht unbedingt! Auch unsere Nachbarn hatten mit Verzögerungen zu kämpfen, mussten ihren Zeitplan immer wieder anpassen. Zudem bringt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eigene Probleme mit sich. Nördlich Lägern liegt nur wenige Kilometer von Baden-Württemberg entfernt.

Wie geht man mit der Betroffenheit auf der deutschen Seite um? Wie sieht es mit Entschädigungszahlungen aus? Alles noch offene Fragen, die im weiteren Verfahren an Bedeutung gewinnen könnten. Das Verständnis für unterschiedliche politische Backgrounds und kulturelle Besonderheiten wird also umso wichtiger.  

All diese Aspekte und Diskussionspunkte aus der Veranstaltung finden Sie auch im Video-Mitschnitt auf unserem Youtube-Kanal. Mehr Infos zu unserer Reihe und den einzelnen Folgen gibt es in unserem Dossier.

YouTube-Livestream "Endlagersuche international - Schweiz im Fokus" (3.6.2024, Online)

Aygül Cizmecioglu

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