Er lehrt, forscht und gehört zu den renommiertesten Wissenschaftlern Deutschlands. Seine Expertise ist gefragt – nicht nur an der Uni, sondern auch in der Politik. Seit Dezember 2016 ist Armin Grunwald Teil des Nationalen Begleitgremiums. Ein Interview über verspieltes Vertrauen, 15-Stunden-Tage und die Hoffnung, etwas vollkommen Neues zu wagen.
Herr Grunwald, sind Sie eigentlich in den achtziger Jahren als junger Mann mit "Atomkraft: Nein Danke"-Plakaten auf die Straße gegangen?
Nein, ich habe die Debatten damals in meiner Schulzeit eher von außen betrachtet. Bis zum Atomunglück von Tschernobyl war ich zwar skeptisch, aber doch nicht ablehnend gegenüber der Kernenergie. Und erst mit Tschernobyl kam bei mir ein richtiger Bewusstseinswandel. Ich merkte, dass es nicht einfach reicht, hier und da ein paar Sicherheitsschrauben einzuziehen, sondern dass das als Ganzes problematisch ist.
Sie sind habilitierter Physiker und Philosoph. Wie trat das Thema "Atommüll" beruflich in Ihr Leben?
Als Physiker findet man Kernphysik natürlich besonders faszinierend. 1999 erhielt ich allerdings in meiner Funktion als Philosoph eine Einladung nach Kalifornien, um vor der amerikanischen Akademie der Wissenschaften zum Thema "Langzeitverantwortung" einen Vortrag zu halten. Die Frage war: Wie kann man mit Zeiträumen umgehen, die wir Menschen uns gar nicht vorstellen können – also Tausende, Zehntausende, Hunderttausende von Jahren? Wie kann man Verantwortung über so lange Zeit mit Sinn füllen?
Und was sagen Sie? Ist das überhaupt möglich?
Wir müssen es zumindest versuchen. Wir haben ja keine andere Wahl. Denn es wäre unverantwortlich zu sagen: Sollen doch die späteren Generationen machen, was sie wollen. Verantwortung heißt für mich, diese Abfälle so an die nächste und übernächste Generation weiterzugeben, dass diese möglichst wenig belastet werden, vor allem, dass die Abfälle keine Schäden anrichten. Und dass die Möglichkeiten, einer endgültigen, sicheren Lagerung weiter verbessert und irgendwann auch umgesetzt werden können.
Sie waren bereits als Vertreter der Wissenschaft Teil der Endlagerkommission, wo die Weichen für das Standortauswahlverfahren gelegt wurden. Hier wurde auch die Idee geboren, ein Nationales Begleitgremium ins Leben zu rufen. Warum eigentlich?
Es wird ja seit über 40 Jahren versucht, dieses Atommüllproblem zu lösen. Die Versuche in den 70er und 80er Jahren waren weitgehend katastrophal in ihren Folgen. Wir müssen zunächst wieder Vertrauen aufbauen. Die Hauptmotivation hinter dem Ansatz der Endlagerkommission war ja, noch einmal von vorne anzufangen und alles besser zu machen, als es in den 40 Jahren zuvor.
Ein hehrer Anspruch!
Das ist wohl wahr! Wenn man allerdings diese 40 Jahre der Geschichte anschaut, dann bleibt uns auch nichts anderes übrig. Wir müssen möglichst viel lernen aus dem, was nicht gut oder auch teils ganz schlecht gelaufen ist. Und dann versuchen, die Dinge besser anzugehen.
Erst Teil der Endlagerkommission, dann des NBG – wie kam das?
Also formal gesprochen, hat mich der Deutsche Bundestag berufen – das ist ein offizielles Mandat sozusagen. Und der Grund war, dass man mit Sinn und Recht gedacht hat, dass aus der vorigen Endlagerkommission durchaus zwei Personen in das Nationale Begleitgremium gehen sollten, um eine gewisse Kontinuität von Argumenten und Hintergründen zu garantieren. Und ich bin eine von diesen beiden Personen.
War dieser Schritt für Sie eine Selbstverständlichkeit oder haben Sie gezögert?
Ich fand das sehr sinnvoll. Klar, habe ich am Anfang ein bisschen gezögert. Immerhin habe ich in Karlsruhe ja noch ein Institut mit 120 Mitarbeiter*innen. Und solche Gremien brauchen alle Zeit. Da muss man schon aufpassen.
Und was war für Sie letztendlich ausschlaggebend, um sich im NBG zu engagieren?
Das NBG ist ja eine institutionelle Innovation. Es ist wirklich etwas Neues. So etwas hat es bis jetzt nicht gegeben. In einer bestimmten Weise ist es ein Instrument von Bürgerbeteiligung, eine Art Sicherung eines selbsthinterfragenden Systems. Und ich finde das einfach super spannend und mache gerne dabei mit, ein solches Novum mit Leben zu füllen. Denn nach dem Gesetz steht es nur auf dem Papier. Mit Leben gefüllt werden muss es von Personen. Und ich bin ganz glücklich, einer davon sein zu dürfen.
Sie sind Leiter von mehreren wissenschaftlichen Einrichtungen, lehren unter anderem als Professor Technikphilosophie an der Universität Karlsruhe – ein Fulltime-Job. Wie war die Reaktion Ihrer Familie, Ihrer Freunde, als Sie sagten: Da mache ich jetzt auch noch mit?
Es gab schon Sorgen, vor allem weil die Endlagerkommission noch frisch in Erinnerung war. Und die hat ungeheuer viel Zeit gefressen. Dort gab es viele Arbeitsgruppen und ich als einziger Ethiker, Technikfolgenabschätzer, Sozialwissenschaftler musste überall mitmachen. Ich war pro Woche teilweise ein bis zwei Tage nur mit dieser Kommission und den Arbeitsgruppen beschäftigt. Da hat man mir in meinem Institut in Karlsruhe auch gelegentlich gesagt: Schön, dass wir dich auch nochmal sehen. Aber mir war klar: Die Arbeit im NBG wird eine andere sein, eine eher beobachtende.
Nun sind Sie seit zwei Jahren Teil des Gremiums. Wie vereinbaren Sie dieses Ehrenamt im NBG mit ihrem Job? Arbeiten Sie die NBG-Mails abends ab oder blocken Sie bestimmte Tage dafür? Wie funktioniert das?
Also für Arbeiten im NBG sind die Sitzungstage reserviert und alles andere wird so dazwischen geschoben, wie ich das mit den vielen anderen Sachen auch mache. Und ich habe in der Tat nicht selten 15-Stunden-Tage. Das meine ich nicht beklagend. Ich will nicht sagen, alles macht Spaß, aber alles ist sinnvoll. Und deswegen mache ich das auch gerne. So funktioniert das eben. Bei den anderen Mitgliedern sieht das ja nicht anders aus.
Ihre Expertise als Wissenschaftler ist gefragt. Sie sitzen in zahlreichen Gremien im In- und Ausland. Wie unterscheidet sich die Arbeit im NBG?
Ein Unterschied ist: das NBG ist, wie ich schon sagte, als Institution, als Form von Gremienarbeit etwas völlig Neues. Auch die Zusammensetzung.
Sie meinen, dass neben anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auch Bürgervertreter*innen im Gremium sitzen?
Genau!
Bringt diese Zusammensetzung auch Herausforderungen mit sich?
Klar! Es gilt zwar der Satz: Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Aber es gilt genauso der Satz: Aller Anfang ist schwer. Und diese Neuheit, sich erst einmal zusammenzuraufen und sich eine Position zu erarbeiten, das war schon recht mühsam und dieser Prozess ist auch noch nicht abgeschlossen.
Was sind die Stolpersteine auf dem Weg dorthin?
Unter anderem die Verzögerung der Nachbenennung. Eigentlich soll das Gremium 18 Leute umfassen – zwölf anerkannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und sechs Bürgervertreter*innen. In einer ersten Runde vor zwei Jahren wurden von diesen 18 Personen, neun benannt. Für letztes Jahr war eigentlich geplant, die zweite Runde abzuschließen und das Gremium vollzählig zu machen. Wir haben zwar noch drei weitere Bürgervertreter*innen dazu bekommen, aber die letzten sechs Mitglieder – die anerkannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – fehlen noch. Zwar kursieren Namen, aber der letzte Schritt ist noch nicht gemacht.
Und was ist dieser letzte Schritt?
Der Bundesrat hat schon sein OK gegeben, aber der Bundestag muss noch zustimmen. Dieses Warten ist natürlich lähmend.
Sie haben die Zusammensetzung des Gremiums angesprochen. Es ist eine sehr heterogene Gruppe. Neben "Experten" sitzen auch Bürgervertreter*innen im NBG: Studenten, Pädagoginnen, Ingenieure, Juristinnen. Nicht alle haben den gleichen Wissensstand. Wie bringt man das zusammen? Gibt es schon eine gemeinsame Sprache oder redet man oft über "Äpfel und Birnen"?
Von allem etwas, würde ich sagen. Man redet schon viel über "Äpfel und Birnen", aber das ist nicht schlimm. Das gehört dazu. Wichtig ist nur, im Reden über "Äpfel und Birnen" voneinander zu lernen. Erst dann kommen wir zu einem gemeinsamen Verständnis. Da hilft nur das offene Gespräch. Wir haben in dem Punkt schon große Fortschritte gemacht.
Diese Gegensätze im Gremium spiegeln sich ja auch ein Stück weit in der gesamten Debatte wider. Die Endlagersuche betrifft jeden von uns, schließlich wird diese Entscheidung über Generationen nachhallen. Gleichzeitig ist es ein hochkomplexes Thema. Man braucht viel Fachwissen, um die Debatte zu verstehen. Viele schalten bei so viel Fachjargon ab. Wie kriegt man diesen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Spagat hin?
Das wichtigste ist zunächst, dass man zwischen den beteiligten Gruppen Vertrauen aufbaut. Ohne Vertrauen geht da letztlich gar nichts. Denn Laien können nicht die geologische Detailkenntnis bis ins Letzte erwerben. Da muss ein bisschen Vertrauen entgegengebracht werden, dass die Geologen gut arbeiten. Oder dass die Geologen gut überwacht werden oder mit internationalen Kollegen in Kontakt stehen. Damit kein Verdacht aufkommt, dass gemauschelt wird. Ohne ein solches Vertrauen in das Verfahren und in die Akteure geht es nicht.
Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?
Natürlich! Nehmen wir etwa die Endlagerbehälter. Die Bürger*innen können nicht alles, was die Bergbauingenieure oder Materialforscher darüber erforscht haben, nachprüfen. Das geht nur über Arbeitsteilung, und die braucht Vertrauen. Welche Eigenschaften muss ein guter Endlagerbehälter für Salz, Ton oder Granit haben? Die Kriterien für gute Behälter festlegen, das ist eine Sache. Da haben, meiner Meinung nach, die Bürger*innen mitzureden. Aber wie man diese Parameter erfüllt, das ist dann eine Sache der Wissenschaft.
Aber Vertrauen entsteht ja im gesellschaftlichen Diskurs. Bis jetzt wird das Thema nur unter Experten diskutiert. In der Öffentlichkeit ist die Endlagersuche noch kein großes Thema, oder?
Es gab natürlich in der Vergangenheit diesen Diskurs über Jahrzehnte. Und der war nicht immer friedlich. Das hatte was mit der hohen Sichtbarkeit von Gorleben und den Folgen zu tun. Auch mit der Endlagerkommission gab es eine große Aufmerksamkeit für das Thema. Seit das Standortauswahlgesetz verabschiedet wurde, hat das öffentliche Interesse stark abgenommen – teilweise weil andere Themen sich vorgedrängt haben, wie z. B. Migration. Das ist aber ganz normal.
Und warum?
Weil sich im Moment keiner oder kaum einer betroffen fühlt. Das wird sich erst ändern, wenn es so etwas wie Teilgebiete oder Standortkandidaten gibt. Dann merken die Menschen: da kommt ja möglicherweise zehn Kilometer von meinem Dorf entfernt ein Endlager hin. Bis dahin wird es noch dauern, aber wir müssen jetzt schon Vorarbeit leisten und Vertrauen aufbauen. Damit nicht wieder die alten Muster der Vergangenheit auftauchen.
Was ist in diesem Kontext die wichtigste Aufgabe des NBG?
Das A und O ist die Qualität des Verfahrens sicherzustellen – aus wissenschaftlicher Sicht und aus Bürgersicht. In beide Richtungen muss es sozusagen lupenrein sein.
Was heißt das genau?
Es muss z. B. auf der Seite der Wissenschaft klar sein, dass Daten die erhoben werden, dass Schlussfolgerungen, die aus diesen Daten gezogen werden, absolut nachvollziehbar sind. Die Sicherheit hat nach Endlagerkommission und Standortauswahlgesetz oberste Priorität. Da dürfen keine Kompromisse gemacht werden. Wir suchen den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit. Und das heißt: Es darf kein Standort und keine Region ausgeschlossen werden aus nicht-wissenschaftlichen Gründen.
Zum Beispiel aus wirtschaftlichen Gründen. Regionen dürfen als potentielle Endlagerstandorte nicht rausfallen, damit sie z. B. weiterhin für Tourismus attraktiv bleiben.
Genau! Diese Gründe dürfen im Auswahlprozess keine Rolle spielen und es muss zu 100 Prozent der Verdacht vermieden werden, dass an irgendeiner Stelle Willkür eingezogen ist. Das muss wirklich alles wissenschaftlich nachvollziehbar sein.
Und auf der Bürgerseite?
Auf der Bürgerseite muss klar sein: Das Verfahren ist transparent. Man hat jederzeit die Möglichkeit, sich über den Stand zu erkundigen. Man hat die Möglichkeit, seine Perspektive, sein Wissen und seine Einschätzung mit einzubringen. Man hat Nachprüfrecht, um z. B. zu verhindern, dass so eine Eigendynamik entsteht, wie wir sie in den 80er Jahren hatten, wo dann so wagenburgartige Gruppen aus Behörden, Wissenschaft und Politik entstanden sind.
Es gibt Kritiker, die das Gremium als "Feigenblatt der Politik", als "zahnlosen Papiertiger" bezeichnen. Was sagen Sie dazu?
Warten wir mal ab. Man könnte vermuten, wenn jemand zu diesem Zeitpunkt so etwas sagt, dann will er womöglich dem NBG und auch dem Verfahren schaden. Wir sind ja im Aufbau. Und das NBG hat angefangen durch partizipative Prozesse, durch Dialoge, Kommunikationsfäden zu spinnen und Vertrauen aufzubauen. Aber wir haben ja noch nicht einmal den ersten Test hinter uns. Spannend wird es, wenn die Ausschlusskriterien angewendet sind und die Teilgebiete für ein Endlager feststehen.
Und was ist in diesem Prozess die Aufgabe des NBG? Was würden Sie sich wünschen?
Mein Wunsch wäre, dass wir als NBG dazu beitragen können, dass ein Weg gefunden wird, diesen Atommüll nicht nur sicher unter die Erde zu bringen, sondern auch friedlich. Dass wir da eine Lerngeschichte hinlegen, die Vorbildcharakter hat - auch für andere große Konflikte in unserer Gesellschaft. Wir haben ja durchaus auch andere Herausforderungen, mit denen wir nicht gut fertig werden - ob das jetzt Migration ist oder bestimmte Dinge im biomedizinischen Bereich. Überall gibt es Konflikte. Und hier mit einem neuen Verfahren, mit einem neuen Beteiligungsformat "NBG", einen neuen Typ von Lösung zu versuchen, das könnte – wenn es gelingt – auch ein Modell für andere gesellschaftliche Bereiche werden.
Sie sehen das also als eine gesellschaftliche Herkules-Aufgabe?
Ja! Nicht nur, weil diese atomaren Abfälle so problematisch sind. Es ist auch deswegen so schwierig, weil eine 40jährige Konfliktgeschichte auf uns lastet. Die hängt uns ja wie Müllsteine am Hals.
Und es ist so eine gigantische Aufgabe, weil zwei sehr unterschiedliche Sichtweisen miteinander kollidieren werden – spätestens wenn die Teilgebiete für ein Endlager veröffentlich sind, oder?
Ja, denn dann werden sich Gemeinwohlinteressen und Standortinteressen massiv gegenüberstehen.
Können Sie das an einem Beispiel festmachen?
Nehmen wir mal an, das Verfahren läuft gut. Und wir haben in 15 oder 20 Jahren einen Standort gefunden mit der bestmöglichen Sicherheit. Dieser Standort würde in einer bestimmten Region liegen. Worst case wäre, wenn dann alle anderen Regionen in Deutschland sagen würden: Ach sind wir froh, dass es uns nicht getroffen hat. Die kriegen den Müll und wir sind schön raus aus der Sache. Dann würde sich die betroffene Region natürlich wehren. Und dann könnte es sehr schnell sein, dass dieser Standort mit der bestmöglichen Sicherheit aus Gründen von politischer Unvorsichtigkeit "verbrannt" ist.
Aber ist es nicht illusorisch zu glauben, dass Menschen Verständnis dafür aufbringen könnten, wenn in ihrer Nähe ein Endlager gebaut wird. Ist das überhaupt möglich?
Ich bin ja ein großer Fan von Jürgen Habermas. Das wäre so der Idealfall eines ergebnisoffenen Diskurses. Es gilt, was am Ende rauskommt. Es gibt keinen anderen Weg, um zum Richtigen zu kommen. Nur wenn das Richtige…
…das Falsche für den anderen ist.
Genau, dann kriegen wir ein Problem. Natürlich geht das nicht ohne Konflikte. Aber die Frage ist, wie sich Konflikte manifestieren und wie man sie dann auch austrägt. Es ist von nationalem Interesse, dass ein bestmögliches Endlager gefunden wird. Und wenn es dann da ist, darf man das Problem nicht so lancieren, dass es heißt: Jetzt habt ihr den Dreck, und wir anderen sind frei davon. Es muss auch dann eine nationale Aufgabe bleiben. Das heißt, alle anderen, die keinen Standort bekommen, müssen an der Belastung in geeigneter Form beteiligt werden.
Gestatten, NBG-Mitglied Armin Grunwald!
Und was heißt das genau?
Darüber müssen wir alle gemeinsam diskutieren. Das umfasst mit Sicherheit finanzielle Kompensation, aber das reicht nicht. Es kann sogar sein, dass manche das als Bestechung empfinden. Wir haben ja in Deutschland nicht die Tradition wie in vielen angelsächsischen Ländern, wo man viel stärker mit Geld kompensiert. Wichtig ist natürlich auch eine symbolische Kompensation, d. h. es muss auch politisch anerkannt werden, dass da eine Region die Last für ganz Deutschland auf sich nimmt.
Sie haben selbst erwähnt, dass in der Vergangenheit sehr viel Vertrauen verspielt wurde. Die Akteure, die sich in den 80er Jahren gegenüberstanden, die sind ja nicht aus der Welt. Die gleichen Personen sitzen immer noch in den Behörden, in den Bürgerinitiativen. Wie kann man da einen Neustart hinkriegen?
Das ist die Herausforderung und zum Teil auch das Problem. Wir merken ja, dass bestimmte Personen und Gruppen so beschädigt sind durch diese 40 Jahre Konfliktgeschichte. Sie sind voller Misstrauen, dass sie diesen Neustart gar nicht als Neustart empfinden, sondern verschwörungstheoretisch als einen neuen Versuch, Gorleben doch noch durchzusetzen. Aber wenn sich jemand entschieden hat, die Sache so zu sehen, kann man vielleicht auch nichts mehr machen. Es gibt zum Glück auch sehr viele andere, die da offener sind. Auf diese kritischen Menschen setze ich ganz stark. Sie sind die kritischen Beobachter des ganzen Prozesses. Ich denke, gerade für das NBG sind diese Menschen sehr wichtig. Denn sie haben die Erfahrung. Sie wissen, was alles schief laufen kann. Sie haben zum Teil Behördenwillkür und Vertrauensbruch erlebt. Und deswegen brauchen wir deren konstruktive Mitwirkung, damit sie uns als NBG auf bestimmte Fährten setzen, an die wir selbst vielleicht nicht so schnell denken würden.
Herr Grunwald, die letzte Frage: Wenn Sie das NBG mit drei Schlagwörtern beschreiben müssten, welche Begriffe wären das?
Das erste Wort wäre "unabhängig", ganz eindeutig. Der zweite Begriff wäre "ausgewogen". Und als Drittes würde ich sagen "reflektiert".
Das Interview führte Aygül Cizmecioglu von der Geschäftsstelle des NBG
Armin Grunwald ist seit Dezember 2016 Mitglied im Nationalen Begleitgremium.
Wer steckt eigentlich hinter dem Nationalen Begleitgremium? In einer losen Reihe von Interviews und Artikeln erzählen unsere Mitglieder ihre ganz persönliche NBG-Geschichte. Was ist ihre Motivation? Wo liegen die größten Herausforderungen? Die weiteren Texte finden Sie in unserem Dossier.
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