Sie ist freie Journalistin, Mutter von drei Kindern und seit Dezember 2019 als Bürgervertreterin im NBG. Ein Gespräch mit Annette Lindackers über die ersten Schritte, das Muffensausen und die Konsequenz im Leben.
Frau Lindackers, Sie sind ganz frisch im Gremium. Wann haben Sie eigentlich das erste Mal vom NBG gehört?
Mitte Oktober 2019, als ich diesen Anruf bekam.
Wer hat Sie damals angerufen?
Ein junger Mann von der Uni Bamberg. Es war abends und ich war eigentlich mit etwas anderem beschäftigt. Irgendwann fiel das Wort Bundesumweltministerium. Und da dachte ich, jetzt höre ich mal weiter zu. Das Thema Atommüll wurde angerissen, vom NBG kurz erzählt und von einem Treffen in Berlin gesprochen. Dann versprach man, mir weiterführende Infos zu senden. Die mir zugeschickten Unterlagen waren allerdings etwas kryptisch.
Was meinen Sie?
Es war nicht ganz klar, wer der Veranstalter dahinter ist.
Die ersten Schritte im Vorfeld waren also etwas holprig?
Ja, so kann man das sagen.
Was hat sie trotzdem bewogen, die Unterlagen durchzulesen und dranzubleiben?
Ich bin Mutter von drei Kindern. Ich sehe die Verantwortung, die ich meinen Kindern schuldig bin. Ich wohne im Bundesland Sachsen. Es gibt dort eine große politische Unzufriedenheit bei den Menschen, die sich ja auch immer wieder bei den Wahlen zeigt. Dagegen möchte ich etwas tun. Ich will nicht unbedingt in eine Partei eintreten, mich aber trotzdem engagieren. Außerdem bin ich Ingenieurin, ich habe Umwelttechnologie studiert und habe mich mit Abfalltechnik beschäftigt. Und Atomabfall ist ja auch ein Teil von Abfalltechnik.
Atommüll, Endlagersuche – das sind nicht unbedingt die geschmeidigsten Themen….
Klar, aber diese Last ist de facto da und man muss etwas dagegen tun – auch wenn das Thema unbequem ist.
Wie ging es dann konkret weiter? Ich glaube, nicht jeder weiß unbedingt, wie man Bürgervertreterin im NBG wird?
Das stimmt. Ich wusste es ja auch nicht. Nach diesem erwähnten Anruf gab es Anfang November 2019 ein erstes Treffen in Berlin. Man hatte rund 57.000 Menschen wie mich angerufen oder angeschrieben und am Ende rund 160 – 170 Leute eingeladen. Menschen aus ganz Deutschland – aus dem Norden, Süden, Osten, Westen. Frauen und Männer, junge Menschen. Ein Versuch, den Querschnitt der Gesellschaft abzubilden.
Also eine bunt gemischte Gruppe von Menschen, die sich überhaupt nicht kennen?
Ja! Was ich erstaunlich fand – es gab von Anfang an eine tolle Stimmung. Obwohl man sich überhaupt nicht kannte, kam man sofort ins Gespräch. An dem Wochenende wurde man auch inhaltlich gebrieft. BASE, BGE, das Bundesumweltministerium und auch das NBG – sie alle hatten Infostände, wo es so eine Art „Druckbetankung“ mit Informationen gab. Später wurde aus dieser großen Gruppe von Menschen ein Wahlgremium gewählt - pro Region je sechs Vertreter, ebenso für die Jugend. Das Wahlgremium traf sich dann drei Wochen später in Köln und wählte die neuen Bürgervertreter*innen des NBG.
Ein mehrstufiger Prozess also, der über einige Wochen ging. Hatten Sie irgendwann auch mal Muffensausen?
Beim ersten Treffen in Berlin war es noch Neugierde. Als ich mich entschied, mich zur Wahl zu stellen, habe ich mir schon ein paar Gedanken gemacht. Ich habe mich gefragt: Will und kann ich das?
Was meinen Sie genau?
Ich habe eine Familie und bereits einige Ehrenämter. Ich bin ehrenamtlich im Kirchenvorstand und als Vorsitzende in einem Schulverein tätig. Ich engagiere mich viel. Aber wenn ich etwas mache, dann will ich auch etwas bewirken. Das ist der Anspruch an meine Arbeit. Wenn ich merke, dass das nicht funktioniert, dann würde ich aufhören.
Das klingt sehr konsequent.
Ja, ich erziehe mit meinem Mann drei Kinder. Da muss man so sein.
Gestatten, NBG-Mitglied Annette Lindackers!
Nun sind Sie ins Gremium gewählt worden. Wie waren die Reaktionen aus Ihrem Umfeld? Was haben Freunde und die Familie dazu gesagt?
Meine Kinder sind 13, 16 und 18 – bei denen ist das Thema nicht so präsent. Mein Mann findet das Thema total spannend und bestärkt mich darin. Ich hatte ihn auch vor meiner Wahl, als ich noch etwas haderte, angerufen. Und er sagte: „Mach das unbedingt!“ In meinem Freundeskreis können die wenigsten mit dem Thema etwas anfangen. Ich muss also immer wieder Dinge erklären. Das finde ich aber auch gut.
Wie trat das Thema Atommüll eigentlich in Ihr Leben? Sind Sie früher mit „Atomkraft - Nein Danke“-Plakaten auf die Straße gegangen?
Als Schülerin hatte ich so einen Aufkleber auf dem Fahrrad. Ich komme ja ursprünglich aus Göttingen. Da sind Gorleben und Asse nicht so weit weg. Ich war aber nie so eine vehemente Atomkraftgegnerin. Das ist an mir vorbeigerauscht. Erst im Studium habe ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt, z. B. mit der Aufarbeitung von Tschernobyl.
War der Reaktorunfall 1986 in Tschernobyl eine Zäsur für Sie?
Ich war damals gerade in München im Englischen Garten, als diese Wolke dort niederging. Das war so ein Moment, wo ich dachte: Obacht! Was passiert hier eigentlich? Ich bin heute davon überzeugt, dass es gut ist, aus der Atomenergie auszusteigen.
Sie arbeiten als freie Journalistin. Was denken Sie - warum spielt das Thema Atommüll zurzeit gesellschaftlich keine große Rolle?
Das ist mir schleierhaft. Natürlich ist das Klimathema ganz groß. Aber wenn man sich anschaut, wie das Thema aufbereitet wird, dann sieht man: es steht oft eine Schlüsselfigur, eine prägnante Person wie Greta Thunberg im Mittelpunkt.
Eine gewisse Art von Personalisierung scheint also hilfreich zu sein - das „Gesicht“ zu einem bestimmten Thema.
Ja! Die Infos müssen aber auch breit gestreut werden. Es gibt tolle Broschüren von BASE. Aber die finde ich nicht im Rathaus in Dresden oder an öffentlichen Stellen. Das Thema findet leider auch in den Fernsehnachrichten noch keinen Platz.
Vielleicht liegt das fehlende Interesse aber auch daran, dass es noch keine Betroffenheit gibt. In diesem Jahr werden aber die Teilgebiete veröffentlicht.
Und in dem Moment wird sich das schlagartig ändern und das Thema im Fokus stehen. Da bin ich mir sicher.
Was könnte das NBG tun, um die Endlagersuche stärker in der Wahrnehmung zu verankern?
Sich selber stärker in die Öffentlichkeit stellen und erklären, was es macht. Und zwar viel offensiver. Das ist doch das Großartige: es gibt eine gewollte Bürgerbeteiligung. Wir müssen den Menschen da draußen sagen: Wenn du im Verfahren ein Anliegen hast, dann wende dich an mich. Und ich werde versuchen, das einzubringen.
Haben Sie ein Ziel für die kommenden drei Jahre?
Öffentlichkeitsarbeit! Ich kann nicht für alle Themen 100 Prozent liefern, aber da kenne ich mich aus. Mein Wunsch wäre, die Wahrnehmung des NBG nach außen zu stärken und mich da einzubringen. Das wäre mein großes Ziel. Mein Wunsch wäre auch, dass ich etwas bewirken kann und nicht nur ein Rädchen im großen Getriebe werde.
Das Interview führte Aygül Cizmecioglu von der Geschäftsstelle des NBG
Annette Lindackers war von Dezember 2019 bis März 2023 Mitglied im Nationalen Begleitgremium.
Wer steckt eigentlich hinter dem Nationalen Begleitgremium? In einer losen Reihe von Interviews und Artikeln erzählen unsere Mitglieder ihre ganz persönliche NBG-Geschichte. Was ist ihre Motivation? Wo liegen die größten Herausforderungen? Die weiteren Texte finden Sie in unserem Dossier.
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