Gleich zwei wichtige Referentenentwürfe wurden im Juli 2019 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Es geht um das Geologiedatengesetz und um die Verordnung über die sicherheitstechnischen Anforderungen bei der Endlagersuche. Komplexe Themen, für Laien oft schwer zu verstehen. Hier die wichtigsten Punkte im Überblick.
Der lang erwartete und vom NBG mehrfach eingeforderte Referentenentwurf zum „Gesetz zur amtlichen geologischen Landesaufnahme sowie zur Übermittlung, Sicherung, öffentlichen Bereitstellung und Zurverfügungstellung geologischer Daten (Geologiedatengesetz - GeolDG)“ liegt seit dem 11. Juli 2019 vor. Am selben Tag wurde auch der Verordnungsentwurf zu den sicherheitstechnischen Anforderungen an die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle veröffentlicht.
Beide Entwurfstexte sind wichtige rechtliche Grundlagen für das Standortauswahlverfahren. Das NBG hat sich in seiner 32. Sitzung beim Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) mit beiden Referentenentwürfen befasst und diese auch mit interessierten Bürger*innen diskutiert. Im Folgenden wird kurz aufgezeigt, worum es im Einzelnen geht und wie die aktuelle Position des NBG dazu aussieht.
GEOLOGIEDATENGESETZ
Worum geht es?
Erst, wenn man den geologischen Untergrund kennt, kann man eine Entscheidung darüber treffen, wo ein Endlager mit der bestmöglichen Sicherheit gebaut werden kann. Und dafür sind die geologischen Daten essentiell. Doch wie soll man in Zukunft mit diesen umgehen? Diese Kernfrage steht im Mittelpunkt des Referentenentwurfs zum Geologiedatengesetz.
Doch was passiert, wenn z. B. private Firmen Rechte an diesen Daten haben? Der aktuelle Referentenentwurf sieht eine Einteilung der Daten in drei Kategorien vor. Für eine Veröffentlichung sind jeweils unterschiedliche Regelungen vorgesehen:
Nachweisdaten (Informationen über Auftraggeber, Ort, Zeitpunkt, Zweck der Untersuchung)
→ Veröffentlichung spätestens drei Monaten nach Ablauf der Übermittlungsfrist
Fachdaten (Daten, die durch Messungen und Aufnahmen gewonnen und aufbereitet wurden)
→ Veröffentlichung der nichtstaatlichen Fachdaten nach fünf Jahren und bei Zusammenhang mit gewerblicher Unternehmung nach zehn Jahren nach Ablauf der Übermittlungsfrist
Bewertungsdaten (Daten, die Analysen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen zu Fachdaten beinhalten, insbesondere in Form von Gutachten, Studien und räumlichen Modellen)
→ Grundsätzlich keine Veröffentlichung von nichtstaatlichen Bewertungsdaten
Es gibt jedoch Ausnahmen: Der Referentenentwurf enthält in Paragraph 34 eine Sonderregelung u. a. für das Standortauswahlverfahren. Diese verlangt eine Einzelfall-Abwägung zwischen Privat- und Gemeinwohlinteresse.
Diese Sonderregelung soll die Veröffentlichung der Daten in bestimmten Fällen erleichtern, so dass nichtstaatliche Fachdaten bereits vor Ablauf der Frist bzw. die nichtstaatlichen Bewertungsdaten überhaupt der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können.
Was ist die Position des NBG?
Diese Ausnahmeregelung ist leider noch nicht ausreichend, da sie Abwägungen im Einzelfall erfordert und dabei sehr vage bleibt. Das würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Verzögerung des Standortauswahlverfahrens führen, da die erforderliche Veröffentlichung aller geologischen Daten nicht ohne Weiteres möglich wäre. Diese Veröffentlichung - das hat das Gremium stets betont - ist die Grundlage für ein transparentes Auswahlverfahren.
Ein weiterer Knackpunkt: Die Kategorisierung der Daten sowie die Prüfung, ob diese mit Rechten Dritter behaftet sind. Dies soll durch die einzelnen Staatlichen Geologischen Dienste der Bundesländer erfolgen – und zwar innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Geologiedatengesetzes. Ein sehr ambitionierter Zeitplan, der kaum zu schaffen sein wird.
Das NBG fordert in puncto Geologiedatengesetz Folgendes:
Das gesamtgesellschaftliche Interesse an einer transparenten Suche nach dem bestmöglichen Standort für ein Endlager ist als sehr hoch zu bewerten und damit grundsätzlich als vorrangig gegenüber den Rechten Dritter an den benötigten geologischen Daten anzusehen. Das NBG befürwortet eine „Umkehr der Beweislast“. Gemeint ist ein grundsätzlicher Vorrang des öffentlichen Interesses - es sei denn die Unternehmen können nachweisen, dass sie ein geschütztes Recht an bestimmten geologischen Daten haben und dieses Recht im Einzelfall schutzwürdiger ist als das öffentliche Interesse.
Eine solche dem Transparenzgebot des Standortauswahlverfahrens gerecht werdende Regelung sollte im Geologiedatengesetz getroffen werden. Die Regelung darf dabei nicht zu einem erheblichen Mehraufwand führen, der das Verfahren unnötig verzögert.
Eine umgehende Verabschiedung des Geologiedatengesetzes ist unerlässlich. Es sollte unmittelbar danach auch in Kraft treten.
Wie geht es weiter?
Der nächste Schritt im Verfahren auf dem Weg zur Verabschiedung des Gesetzes ist die Verbändeanhörung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Die Vertreter*innen der beteiligten Verbände können am 9. September 2019 in Berlin zu dem Gesetzentwurf Stellung nehmen. Dazu ist auch das NBG eingeladen.
Weiterhin können dem BMWi bis zum 13. September 2019 schriftliche Stellungnahmen übersendet werden. Diese sollen grundsätzlich mit Namen und Inhalt auf der Internetseite des BMWi publiziert werden. Das NBG wird dem BMWi seine Position zukommen lassen und bei der Anhörung am 9. September Nachdruck verleihen.
Es wird sich zeigen, ob das Geologiedatengesetz noch wie vom NBG gefordert überarbeitet wird und die für das Standortauswahlverfahren vorgeschriebene Transparenz bei der Veröffentlichung der geologischen Daten ermöglicht.
VERORDNUNG ÜBER DIE SICHERHEITSTECHNISCHEN ANFORDERUNGEN AN DIE ENTSORGUNG HOCHRADIOAKTIVER ABFÄLLE
Worum geht es?
Im Standortauswahlgesetz (StandAG) sind zwei Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen enthalten. Sie richten sich an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, und nukleare Sicherheit (BMU), das demnach Sicherheitsanforderungen für die Endlagerung sowie Anforderungen für die Durchführung der im Standortauswahlverfahren vorgeschriebenen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen regeln muss. Diese Verordnungen müssen laut Gesetz spätestens bis zum Zeitpunkt der Durchführung repräsentativer vorläufiger Sicherheitsuntersuchungen in den Teilgebieten vorliegen.
Am 11. Juli 2019 hat das BMU einen Verordnungsentwurf dazu veröffentlicht. Dieser besteht aus drei Artikeln.
Artikel 1 fokussiert die Sicherheitsanforderungen (Endlagersicherheitsanforderungsverordnung /EndlSiAnfV).
In Artikel 2 geht es um die Sicherheitsuntersuchungen (Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung / EndlSiUntV).
Artikel 3 regelt das Inkrafttreten.
Artikel 1 zu den Sicherheitsanforderungen (EndlSiAnfV) basiert auf den als internes Arbeitspapier des BMU nicht allgemein verbindlichen Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle (SiAnf 2010). Der Entwurf enthält im Vergleich zu dem Vorgänger einige Abweichungen und Neuregelungen. Grund dafür ist die durch das StandAG 2017 geänderte Rechtslage und die Umsetzung von Empfehlungen der Endlagerkommission.
Die Regelungsbereiche zu den Sicherheitsanforderungen sind in folgende sechs Abschnitte gegliedert:
Allgemeine Vorschriften
Langzeitsicherheit
Erkundung des Endlagerstandortes und Planung des Endlagers
Rückholbarkeit und Ermöglichung einer Bergung
Errichtung, Betrieb und Stilllegung des Endlagers
weitere Vorschriften
Artikel 2 zu den Sicherheitsuntersuchungen (EndlSiUntV) ist neu und enthält Regelungen zur Durchführung der im StandAG an drei Stellen vorgesehenen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen. Die Regelungen orientieren sich laut Begründung zum Verordnungsentwurf am „international üblichen Vorgehen bei der Erstellung eines sog. `Safety Case´ und den entsprechenden Empfehlungen der Endlagerkommission“.
Zum Nachweis der Langzeitsicherheit eines Endlagers enthält der Entwurf zu den Sicherheitsanforderungen ebenso wie der Vorgänger von 2010, Anforderungen an die sog. „Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs“.
In diesem Vorgängerpapier wurden Prüfkriterien für die Integrität des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs nur im Hinblick auf die Wirtsgesteine Salz und Ton festgelegt. Die in dem aktuellen Entwurf geregelten Anforderungen beziehen sich nun grundsätzlich auf alle drei im laufenden Standortauswahlverfahren in Betracht kommende Wirtsgesteine, also Salz, Ton- und Kristallingestein.
Zudem fordert der Entwurf den Nachweis der „Robustheit des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs“ als wesentliche Barriere sowie im Fall des Wirtsgesteins Kristallin – sofern kein einschlusswirksamer Gebirgsbereich nachgewiesen werden kann - die „Integrität und Robustheit der technischen und geotechnischen Barrieren“ als wesentliche Barrieren.
Beim Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen in der Nachverschlussphase wurden in dem Entwurf neue Wahrscheinlichkeitsklassen festgelegt – und zwar für den gesamten, aus dem Vorgängerpapier von 2010 übernommenen Nachweiszeitraum von einer Million Jahre ab dem vorgesehenen Verschluss des Endlagers.
Die Dosiswerte für die zu erwartenden und die abweichenden Entwicklungen im Entwurf entsprechen den bereits 2010 für wahrscheinliche und weniger wahrscheinliche Entwicklungen vorgesehenen Dosiswerten.
Neu ist die in der Anlage des Entwurfs geregelte Berechnung des Nachweises zum Ausschluss der Kritikalität (sich selbst tragende Kettenreaktionen). Neu ist auch die Regelung von Anforderungen an die zusätzliche Endlagerung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen am selben Standort im letzten Abschnitt (weitere Vorschriften) des Entwurfs.
Wie geht es weiter?
Die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Verordnungsentwurf ist als Prozess mit drei aufeinander aufbauenden Phasen und Schritten geplant: Zuerst wurde der Entwurf auf der extra dazu eingerichteten Webseite veröffentlicht und zu Kommentaren und Stellungnahmen eingeladen. Dieses Angebot richtet sich vor allem an Verbände, Wissenschaft und die interessierte Fachöffentlichkeit.
In einem zweiten Schritt ist geplant, auf dieser Webseite allgemeinverständlich aufbereitete Inhalte zu veröffentlichen und zu einem Onlinedialog einzuladen. Dieses Angebot richtet sich an alle interessierten Bürger*innen.
Am 14. und 15. September 2019 soll in Berlin ein Symposium u. a. für Vertreter*innen aus Verbänden und der Wissenschaft, für Mitglieder von Bürgerinitiativen sowie für interessierte Bürger*innen stattfinden.
Für Jugendliche und junge Erwachsene ist im Rahmen dieses Symposiums ein pädagogisch begleitetes Rahmenprogramm geplant, das ihnen ein Verständnis des Verordnungsentwurfs sowie die Vorbereitung von Fragen und Meinungsbeiträgen ermöglichen soll.
Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen im Rahmen dieses Symposiums läuft noch bis zum 5. September 2019. Die Öffentlichkeitsbeteiligung soll nach derzeitiger Planung am 20. September 2019 enden.
Im Rahmen der 32. Sitzung des NBG wurde darüber diskutiert, ob der Zeitraum zwischen dem geplanten Symposium und dem Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung mit fünf Tagen im Hinblick auf die „komplexe Regelungsmaterie“ angemessen und ausreichend sei.
Im StandAG ist vorgesehen, dass der Verordnungsentwurf dem Bundestag zuzuleiten ist. Dieser kann Änderungen beschließen oder sogar den Entwurf ablehnen. Wenn sich der Bundestag allerdings nach Ablauf von vier Sitzungswochen nicht mit dem Verordnungsentwurf befasst, dann wird dem BMU die unveränderte Rechtsverordnung zugeleitet.
Was ist die die Position des NBG?
In der 32. Sitzung des NBG wurde die Vorgehensweise des BMU kritisiert, ein fertiges Papier vorzulegen, kein Symposium im Vorfeld veranstaltet zu haben und die Entwicklungen seit 2010 nicht darzustellen. Dies sei wieder ein Top-down-Ansatz und in keiner Weise partizipativ.
Es bestand Einigkeit darüber, dass das NBG zur Einschätzung der sehr komplexen, und auch aus technisch-naturwissenschaftlicher Sicht zu beurteilenden Regelungsmaterie wissenschaftliche Beratung durch Expert*innen benötigt. Deshalb hat das Gremium beschlossen, dass zwei Gutachten zur Einschätzung der Verordnungen beauftragt werden sollen, auf deren Grundlage das NBG eine Stellungnahme erarbeiten wird.
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